Dienstag, 29. Oktober 2019

The Making of „Am Abgrund der Unendlichkeit“ – Teil 2: Eine Galaxis voller Exoten

In zwei Tagen, am 31.10.2019, erscheint mein neustes Romanwerk, der Science-Fiction „Am Abgrund der Unendlichkeit“, und zu diesem Anlass möchte ich ein wenig hinter die Kulissen dieses Projekts blicken. Heute geht es um die Alienvölker, die in dem Roman auftreten.

Vor jedem neuen Roman, der dem Genre der Fantasy oder Science-Fiction zuzuordnen ist, muss man als Autor Entscheidungen fällen. Gibt es nichtmenschliche Spezies in meinem Setting? Wie viele gibt es? Wählt man sich ein oder zwei Spezies – in der Fantasy gern Elfen und/oder Zwerge –, denen man dann entsprechend mehr Aufmerksamkeit widmet? Oder bevölkert man die fremde Welt beziehungsweise das weite All mit unzähligen exotischen Kulturen? (In das World(s)building eines Science-Fiction-Settings kann man praktisch unbegrenzt viel Arbeit stecken, wenn man will.)

Für „Am Abgrund der Unendlichkeit“ bin ich einen Mittelweg gegangen. Ich wollte definitiv mehr Exotik als im Fall meiner „Frontiersmen“-Romane, in denen mit den Peko ja nur eine Alienrasse aufrat, die zudem, grün und menschenähnlich, im Wesentlichen stellvertretend für irdische Indianer stehen sollte. Ich wollte aber auch kein bodenloses Fass aufmachen, wie man es etwa im „Star Trek“-Franchise hat, das hunderte Fremdrassen kennt (und von denen sich viele nur in der Form der Latexhöcker im Gesicht unterscheiden). Ich entschied mich also für eine begrenzte Zahl Völker, die allerdings möglichst unterschiedlich ausfallen sollten.

Natürlich existieren Menschen in diesem Universum. Menschen als Basislinie für den Leser, an der sich alles andere misst, gibt es irgendwie immer. Im vorliegenden Fall sind es allerdings eher „Star Wars“-Menschen als „Star Trek“-Menschen, das heißt, sie sehen zwar menschlich aus und agieren auch so, aber sie stammen nicht explizit von der Erde ab, die auch mit keinem Satz erwähnt wird, nicht mal als mythische Ur-Heimat. Die Menschen gehören zu den Gründungsvölkern des Domenaions, jenes Sternenreichs, das Schauplatz der Handlung ist.


Weitere Gründungsspezies sind die Atherier, die Floryll und die Sleen. Die Atherier übernehmen die Rolle, die sonst gern von Elfen oder Vulkaniern gespielt werden: die der etwas kühl und abgeklärt wirkenden, zugleich aber mit einer tiefen Liebe für Kunst und Kultur gesegneten „Mentoren“ der Menschen. Es handelt sich um feingliedrige, haarlose Humanoide mit großen, dunklen Augen und einer sehr glatten, festen, weißgrauen Haut, die ein wenig an die eines irdischen Delphins erinnert. Sie sind von aquatischer Abstammung und können daher lange Zeit ohne zu atmen unter Wasser existieren.

Die Floryll spiegeln meine Vorliebe für pflanzliche Spezies wider, die ich hege, seit ich vor vielen Jahren in der TV-Serie „Farscape“ erstmals von der Idee eine humanoiden Pflanze (namentlich dem Volk der Delvianer) überrascht wurde. Allerdings treiben es die spindeldürren Wesen mit den astartigen Arm- und Beinfortsätzen und den blütenähnlichen Kopf diesmal auf die Spitze. Nie habe ich mir so viele Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet, eine Pflanze zu sein – darauf komme ich in Teil 3 dieses Making-ofs nochmal zurück.

Die Sleen schließlich sind eine echsenartige Spezies. Ihre Haut ähnelt in Farbe und Struktur der von Krokodilen und in ihrem breiten Mund reihen sich kleine, verflucht spitze Zähne. Ungeachtet ihres durchaus furchteinflößenden Äußeren sind sie allerdings überwiegend sehr friedlich und gastfreundlich, ein Volk, das gern lacht und feiert. Für mich stellten sie das stabile, emotionale Rückgrat des Domenaions dar.

Im Laufe der Jahrhunderte schlossen sich zwei weitere Spezies dem Domenaion an. Zum einen waren das die purpurhäutigen Barakkaraner, eine Spezies, die mit ihrer Begeisterung für Bier und Bergbau ganz eindeutig meine Science-Fiction-Variante von Fantasy-Zwergen darstellt. Zum anderen kamen die N’x hinzu, eine Cyborg-Spezies, die die Verschmelzung von Biologie und Technik derart zum Extrem getrieben hat, dass man nicht mehr sagen kann, wo das natürliche Lebewesen aufhört und das künstliche anfängt. Das war tatsächlich ein Problem, das ich bis zum Ende des Romans nicht so recht aufzulösen vermochte. Waren die N’x nun künstliche Intelligenzen, die sich mit semibiologischen Körpern versahen? Oder eine ehemals menschenähnliche Spezies, die bis auf wenige Organe zu perfekten Kunstkörpern übergegangen war? Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht soll man das auch nicht wissen.

(Die Namen der N’x sollten übrigens eigentlich nur aus Einzelbuchstaben bestehen, die ihren Klang aus dem Lesen in Alphabetweise erhalten sollten. So wird aus dem technisch wirkenden, minimalistischen N’x etwa Enix und aus T’d’o etwa Tedeo. Um den Lesefluss aber nicht übermäßig zu stören, bin ich schließlich dazu übergegangen, die Namen auszuschreiben und nur durch Groß- und Kleinschreibung die ursprünglichen Elemente zu kennzeichnen. Im Buch steht also jetzt eN’iX und Te’De’O.)

Fünf nichtassoziierte Nachbarvölker des Domenaions komplettieren den Völkerreigen: die Rhinoa (kurzzeitig ebenfalls Teil des Domenaions, aber zu individualistisch für den Völkerbund), die Silphi, die Corralier, die Orkanoiden und die Nark. Die Rhinoa sind die „Schwergewichte“ unter den Spezies, zwei bis zweieinhalb Meter messende, kraftstrotzende Kolosse. Sie haben graue Haut wie Elefantenleder, kräftige, dreifingrige Hände und eine Krone aus dicken, kurzen Hörnern auf dem kahlen Schädel. Ich bin im Nachhinein nicht ganz zufrieden mit der Namengebung, denn obwohl die Rhinoa äußerlich an aufrecht gehende Rhinozerosse erinnern sollen, ist der „sprechende Name“ natürlich eigentlich zu irdisch.

Die Silphi sind eine insektoide Schwarmlebensform (was sich unter anderem in der Eigenart niederschlägt, immer im Plural von sich zu sprechen, auch wenn sie allein sind). Sie haben einen drahtigen, entweder braunen oder grünen Chitin-Körper mit zwei Beinen und zwei Armen sowie große Facettenaugen vorn und Schallwellenfühler hinten am schlanken Schädel. Die Silphi verfügen über eine verlangsamte Zeitwahrnehmung, was ihnen den Eindruck übermenschlicher Reflexe verleiht. Das macht sie zu beliebten Raumpiloten.

Orkanoiden und Nark gehören gewissermaßen zusammen, auch wenn es sich um völlig eigenständige Spezies handelt. Die Orkanoiden, riesenhafte, vielfarbig glühende Raumquallen, sind definitiv die fremdartigste unter allen Spezies. Sie leben zurückgezogen in der hohen Atmosphäre zweier Zwillingsgasriesen. Im Kontakt mit den „jüngeren Zivilisationen“ bedienen sie sich gern ihrer „Mündel“, der Nark, einer jungen, wilden Echsenspezies, die auf einem der benachbarten Monde, einer Dschungelwelt, beheimatet ist und ihren Sprung ins Raumfahrtzeitalter allein ihren stillen Mentoren verdankt. Politisch halten sich beide Völker möglichst weit vom Domenaion fern, nicht zuletzt seit es einen unschönen Zwischenfall mit den Barakkaranern gab.

Die Corallier schließlich waren der letzte Neuzugang zum Ensemble, im Grunde nur ein Cameo, nachdem ich bei der Recherche nach fremdartigen Geschöpfen auf die Bilder von humanoiden Wesen mit wunderschön muschelartigen Schädelauswüchsen gestoßen war. Ich stelle sie mir als eine halb-aquatische Lebensform vor, die sich aus den flachen, tropischen Gewässern ihrer Heimatwelt entwickelt hat. Ansonsten kann ich nicht viel über sie sagen, denn kulturell sind sie zweifellos am schlechtesten ausgearbeitet. Vielleicht ergibt sich in Zukunft mal die Gelegenheit, sie näher zu betrachten.

Das war mein kleiner Überblick über die Spezies von „Am Abgrund der Unendlichkeit“. Wer sie gern besser kennenlernen möchte, möge sich den Roman zu Gemüte führen. Nur den Floryll werde ich morgen noch etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Denn …

Morgen geht es weiter mit: Teil 3: Das Pronomen-Problem mit den Floryll

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