Samstag, 29. September 2012

Gelesen: "Sturmnacht" von Jim Butcher

Viele Autorenkollegen tun es bereits: Darüber schreiben, was sie so Spannendes lesen. Im Grunde bilde ich da keine Ausnahme, nur habe ich bislang stets für Rezensionsportale (u.a. www.ringbote.de) meine Meinung zum Besten gegeben. Nun möchte ich auch mein Blog ein wenig beleben, indem ich ausgewählte Werke an dieser Stelle präsentiere. Eben für die Menschen, die sich nicht für Rezensionsportale interessieren, sondern dafür, was Bernd Perplies so mag oder eben nicht mag. Den Anfang macht "Sturmnacht" von Jim Butcher, ein Urban-Fantasy-Roman, den ich binnen 24 Stunden verschlungen habe.

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Die dunklen Fälle des Harry Dresden 1: Sturmnacht

Er ist der einzige praktizierende Magier, den man auch im Telefonbuch von Chicago findet: Harry Blackstone Copperfield Dresden, ein Privatermittler in paranormalen Dingen, eine Art eigenbrötlerischer Ghostbuster. Chronisch pleite, immer ein wenig versifft und zusammen mit einem fetten Kater und einem Geist namens Bob in einem Kellerloch hausend, stellt er den Traum aller Maiden in Not und den Albtraum aller finsteren Gesellen dar – sozusagen.

Es ist erstaunlich: Ich hätte wetten können, dass Jim Butchers Urban-Fantasy-Detektiv Harry Dresden ein Kind der Generation „Buffy“ und/oder „WitchCraft“ ist. Doch beide sind nach dem Auftaktband „Sturmnacht“ erschienen, den Butcher – so heißt es zumindest – im Rahmen eines Schreibworkshops 1996 im Alter von 25 Jahren verfasste. Nun ja, er könnte zumindest „Mage: The Ascension“ gespielt oder „Akte X“ geschaut haben. Die typischen Zutaten moderner Urban Fantasy – selbstironischer Humor plus knackige Action plus ein Ensemble eigenwilliger, auf mehr oder minder pikante Weise verknüpfte Figuren – sind jedenfalls deutlich spürbar und lassen auf keiner Seite merken, dass das Werk mittlerweile mehr als 15 Jahre auf dem Buckel hat und damit in einer Zeit erschienen ist, in der dieses Genre bei Weitem noch nicht den heutigen Stellenwert hatte.

Erzählt wird die Geschichte von Harry Dresden (im doppelten Wortsinne, da aus der Ich-Perspektive), dem einzigen offen praktizierenden Magier Chicagos. Der Mann, der in jeder Hinsicht ein Außenseiten ist, betreibt ein kleines Detektivbüro und hält sich mehr schlecht als recht mit der Aufklärung paranormaler Probleme über Wasser. Meist arbeitet er als Berater für die hiesige Polizei (und fungiert damit als „Mulder“ für die „Scully“ Lieutenant Karrin Murphy), gelegentlich kommen auch mutige Privatpersonen zu ihm. Dabei sitzen Dresden sowohl die ebenso neugierige wie gutaussehende Klatschreporterin Susan Rodriguez im Nacken, als auch Morgan, der schwertschwingende Vollstrecker des Weißen Rats, der geheimen Vereinigung von Hexen und Magiern, bei dem Harry „auf Probe“ steht, seit er mal eines der ehernen Gesetze der Magie gebrochen und magisch einen Menschen getötet hat.

Von diesem Setting ausgehend entspinnt sich das Abenteuer von „Sturmnacht“. Ein Mann verschwindet. Ein Liebespaar wird mit explodierten Herzen aufgefunden. Paranormale Drogen fluten die Straßen von Chicago. Da wird nicht nur die Polizei nervös, sondern auch der hiesige Mafiaboss und die ein Bordell betreibende Obervampirin der Stadt. Da er jung ist und das Geld braucht, stürzt sich Harry in die Ermittlungen und gerät dabei zwischen alle Fronden. Die Folge sind eine Verkettung mal delikater, mal schmerzhafter Begegnungen, die – der Titel lässt es erahnen – in einer Sturmnacht, in der es dann um Leben und Tod geht, kulminieren.

Natürlich ist vieles an der Geschichte ein wenig klischeehaft. Damit meine ich nicht mal Klischees der Urban Fantasy (das kann man Butcher 1996 kaum vorwerfen), sondern Klischees der hard-boiled detectice story. Es gibt den heruntergekommenen Loner Harry Dresden. Es gibt den treuen Barkeeper Mac. Da ist der aalglatte Mafiaboss Marcone mit seinen tumben Schlägern und die taffe Polizistin mit dem Herz aus Gold Murphy samt ihrem unsympathischen Kompagnon Carmichael. Und natürlich umgeben unseren Protagonisten ein ganzer Reigen attraktiver und geheimnisvoller Frauen, von denen jede auf ihre Weise gefährlich ist.

Aber das macht überhaupt nichts, denn Butcher nutzt diese Klischees auf unterhaltsamste Art und Weise. Der ganze Roman ist enorm gut komponiert. Überall werden zu Beginn Fäden aufgespannt, zu denen die Handlung später zurückkehrt. Überall hängt der Autor „Gewehre“ auf, die nachher auch „abgefeuert“ werden (um eine der Grundregeln des filmischen Erzählens zu paraphrasieren, dass man nie ein Gewehr an der Wand zeigen darf, mit dem nicht später auch geschossen wird). Darüber hinaus wird eine lebendige Hintergrundwelt etabliert, die Raum für viele weitere Abenteuer lässt (einen Raum, den Butcher mit mittlerweile vierzehn Fortsetzungen genüsslich gefüllt hat und noch immer weiter füllt).

Fazit: Ich habe schon eine Weile um diesen Roman herumscharwenzelt. Nun habe ich mir die Zeit genommen, ihn endlich zu lesen, und keine Minute davon bereut! Harry Dresdens erster Fall „Sturmnacht“ hat alles, was eine gute Genre-Geschichte ausmacht: ordentlich Action, selbstironischen Humor und liebenswerte Charaktere. Für alle Freunde von Urban Fantasy (und ganz besonders alle „WitchCraft“-Rollenspieler und Joss-Whedon-Fans) ein echter Leckerbissen. – Ein besonderer Dank gilt übrigens Feder&Schwert, die die Reihe von Knaur übernommen und mit den coolen US-Covern neu herausgebracht haben. Die erste deutsche Ausgabe sah leider völlig daneben aus!

Die dunklen Fälles des Harry Dresden 1: Sturmnacht
Mystery/Horror-Roman
Jim Butcher
Feder&Schwert 2012
ISBN: 978-3-86762-111-3
320 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 11,99

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