Donnerstag, 31. Oktober 2019

The Making of „Am Abgrund der Unendlichkeit“ – Teil 4: Schurkische Helden

Heute, am 31.10.2019, erscheint mein neustes Romanwerk, der Science-Fiction „Am Abgrund der Unendlichkeit“. Im vierten und letzten Beitrag meiner kleinen Making-of-Serie sollen daher endlich die Helden der Geschichte im Rampenlicht stehen.

Es ist kein Geheimnis, dass ich Helden und Schurken meiner Romane gern mit Filmschauspielen (lebenden wie verstorbenen) besetze, um gerade zu Schreibbeginn eine Stimme und eine Haltung im Kopf zu haben, an der ich mich orientieren kann. Im Laufe der Handlung emanzipieren sich die Romanfiguren von ihren Vorbildern, aber als Ausgangspunkt sind Schauspieler – oder spezifische Rollen, die sie mal gespielt haben – eine gute Hilfestellung.

Auch bei „Am Abgrund der Unendlichkeit“ bin ich so verfahren. Captain Bendis Kahain, seine Erste Offizierin Neena Costa, Bordingenieur Sariss, Doktor Rahla usw.: Sie alle wurden von filmischen Vorbildern inspiriert. Dabei habe ich mir den Spaß gegönnt, mich einmal quer durchs Science-Fiction-Genre bei meinen Lieblingsfilmen und -serien zu bedienen. Ich werde jetzt natürlich nicht verraten, welche Person für welche Romanfigur Pate stand. Aber falls ihr gewisse Ähnlichkeiten zu erkennen glaubt, könnte es sein, dass sie nicht ganz zufällig sind.

„Am Abgrund der Unendlichkeit“ ist ein Roman mit vier sich verschränkenden Handlungssträngen. Das Personal ist entsprechend ausufernd. Das mag bei einem Buch von verhältnismäßig moderaten 370 Seiten verwundern, aber es war mir wichtig, den Konflikt, das scheinbare Verschwinden ganzer Sternensysteme, aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Konzentrieren möchte ich mich hier auf meine Kernheldentruppe, die Raumretter vom Kreuzer Leitstern um Captain Bendis Kahain. (Das sind auch schon genug Leute …)


Fangen wir mit dem Captain selbst an. Bendis Kahain ist ein Mensch und Kommandant des Raumrettungskreuzers Leitstern. Der dunkelhäutige, glatzköpfige Mann mit dem sauber gestutzten Bart lebt dafür, Leuten in Not zu helfen. Dabei schreckt er in Krisensituationen auch nicht davor zurück, Regeln zu ignorieren, um das Richtige zu tun. Seine Mannschaft ist seine Familie. Und so drückt er auch mal ein Auge zu, wenn jemand bei einer Raumrettung in einem Wrack etwas „findet“. Der Job wird mies genug bezahlt.

Neena Costa, eine Menschenfrau, ist Bergungsspezialistin auf der Leitstern. Sie leitet die Rettungsoperationen außerhalb des Schiffs, während Kahain das Kommando an Bord behält. Außerdem ist sie der Erste Offizier. Costa ist ein Vollprofi, die ihren Job sehr ernst nimmt. Vom Umgangston her eher herb, sind Gaunereien nicht ihre Sache, und es gefällt ihr überhaupt nicht, wenn sie die anderen dabei erwischt. Die Besatzung der Leitstern ist „ihre Truppe“, und sie steht unverbrüchlich loyal zu Kahain, der ihr vor Jahren das Leben rettete.

Pilot der Leitstern ist der insektoide Silphi Katiktak. Dank seiner verlangsamten Zeitwahrnehmung, die seiner Spezies zu eigen ist, steuert er das Raumschiff mit enormem Geschick und übermenschlichen Reflexen. Wegen anhaltenden Verstößen gegen die soziale Ordnung seiner Heimat – vor allem seiner Vorliebe für Partys und Rauschmittel – wurde er ins Exil geschickt. Die Besatzung der Leitstern ist sein Ersatzschwarm.

Die eN’iX eL’Ha ist die Drohnenführerin der Leitstern. Zu echtem Multitasking fähig, vermag die silberhäutige Frau mit dem perfekten Kunstkörper mehrere Drohnen gleichzeitig zu kontrollieren, da sie mit ihnen direkt vernetzt ist. eL’Ha ist stets tadellos höflich und bemüht sich auch, empathisch zu sein, aber es fühlt sich etwas einstudiert an, weil sie in Wahrheit Schwierigkeiten hat, die Gefühle vollbiologischer Lebensformen nachzuvollziehen.

Shem Randon, ein Mensch, dient als Computerspezialist des Teams. Dank seiner Datenbrille ist er immer auf dem Laufenden, was in der Datensphäre passiert. Bei Nervosität neigt er zum Stottern – und eigentlich ist er immer nervös. Doch auch wenn ihm die Abgebrühtheit eines echten Raumretters fehlt, behält ihn Kahain an Bord, weil er in seinem Job einfach verdammt gut ist. Der junge Randon bewundert seine Kollegin eL’Ha, aber die erkennt sein Interesse an ihr nicht einmal.

Sariss ist der Chefingenieur. Er wird von allen nur Chief genannt. Der Sleen ist ein gutmütiger Mann, der gerne lacht und auch der schlimmsten Bredouille noch mit Galgenhumor begegnet. Manche halten ihn für einfältig, und tatsächlich mag er kein Gelehrter sein, aber er hat das Schiff und seine Maschinen im Griff. Er und Hobric sind dicke Freunde, die gern mal ein krummes Ding nebenher drehen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Der Mensch Venk Hobric arbeitet als Techniker und Ersthelfer auf der Leitstern. Er dient gleichermaßen unter Chief Sariss und Neena Costa und ist ein Maulheld, wie er im Buche steht. Er macht seinen Job nicht übel, aber seine Neigung, Regeln eher lax auszulegen und sich auf Rettungseinsätzen zu bereichern, haben ihm schon mehr als einmal Probleme eingebracht. Bislang hat ihn sein „unwiderstehlicher Charme“ aber immer aus der Klemme geholfen.

Wenn während einer Bergungsoperation „heavy lifting“ gefragt ist, kommt Umbra zum Zug, ein zweieinhalb Meter großer Koloss aus grauen Muskeln. Doch die Rhinoa mit den dunklen, erstaunlich sanft dreinblickenden Augen ist nicht nur stark, sondern auch eine echte Dickhaut und selbst in Krisen kaum aus der Ruhe zu bringen. Wenn sie allerdings wütend ist, bricht sie im wahrsten Sinne des Wortes durch Wände.

Die letzte im Team ist die Ärztin Gonian Rahla. Die hochgewachsene, schlanke Atherierin hat einen Doktor in Medizin und Biologie und ist ausgesprochen gebildet. Sie könnte überall arbeiten, und ursprünglich befand sie sich auch an Bord, weil Bendis ihr das Leben gerettet hat, und sie sich ihm danach verpflichtet fühlte. Mittlerweile hat sie erkannt, wie viel Gutes sie als Raumretterin tun kann. Dennoch ist sie die Außenseiterin des Teams, denn gerade Männer wie Hobric, Sariss und Katiktak hält sie irgendwie für Kinder.

Und? Ein bisschen neugierig geworden? Wenn ihr mehr über Bendis Kahain und seine Truppe fragwürdiger Raumretter erfahren wollt, dann schaut in „Am Abgrund der Unendlichkeit“ rein. Ab jetzt als Buch, E-Book und Audiodownload überall im Handel erhältlich. Ich wünsche unterhaltsame Lesestunden.

Mehr Infos zum Roman gibt es auf meiner Website (inkl. Kauflinks).

Mittwoch, 30. Oktober 2019

The Making of „Am Abgrund der Unendlichkeit“ – Teil 3: Das Pronomen-Problem mit den Floryll

Morgen, am 31.10.2019, erscheint mein neustes Romanwerk, der Science-Fiction „Am Abgrund der Unendlichkeit“, und zu diesem Anlass möchte ich ein wenig hinter die Kulissen des Projekts blicken. Heute geht es um ein ganz spezielles grammatikalisches Problem, vor dem ich während des Schreibens plötzlich stand.

In der Regel, so kommt es mir vor, ist das Geschlecht von Angehörigen nichtmenschlicher Spezies nichts, worüber sich Science-Fiction-Autoren viele Gedanken machen. 99% aller Aliens scheinen entweder Männlein oder Weiblein zu sein. Wenn man es ein wenig exotischer haben möchte, hält man es wie bei den Andorianern aus „Star Trek“ und erfindet halt zwei Arten Männlein und Weiblein – was aber auch nichts an einer grundsätzlich klaren Geschlechtsidentität ändert. Oder der Roman ist aus der Perspektive von ignoranten Menschen geschrieben, die auch dem letzten Felsklumpen noch ein Geschlecht zuordnen, je nach äußerem Anschein. Ich habe das bei „Am Abgrund der Unendlichkeit“ zugegebenermaßen anfangs auch so gehalten – doch dann ließ ich mich auf ein gewagtes Experiment ein.

Denn bei meiner Recherche zu der pflanzlichen Spezies der Floryll wurde mir eines klar: Anders als bei Menschen und Tieren ist im Pflanzenreich Doppelgeschlechtlichkeit oder auch Hermaphroditismus weit verbreitet. Gerade Blütenpflanzen weisen sowohl männliche Staubblätter als auch weibliche Fruchtblätter auf. Daher schien es mir nur konsequent, die Floryll, die einen sehr prominenten Blütenkopf haben, nicht in Männlein und Weiblein zu unterteilen, sondern als Zwitter anzulegen. Nun könnte man der grammatikalischen Einfachheit halber sagen, dass sich die Floryll an die kulturelle Norm im Domenaion angepasst hätten und sich Individuen zumindest dem Anschein nach für ein Geschlecht entscheiden würden. Das hätte mir vieles leichter gemacht, denn ich hätte schlicht mit (scheinbar) männlichen und weiblichen Floryll operieren können. Doch diese „leichte“ Lösung wäre mir wie eine Lüge aus Faulheit vorgekommen.


Es gibt gewiss Floryll, die sich von der Art ihres Charakters her eher männlich oder eher weiblich verhalten – so wie man eben Männlichkeit und Weiblichkeit dem Klischee nach versteht. Sie bleiben allerdings biologisch dennoch immer Zwitter und kämen auch gar nicht auf die Idee, sich zu verstellen. Die Floryll sind eine Macht im Domenaion. Sie sind eins der Gründungsvölker. Sie sind genauso stolz auf ihr Wesen wie jeder Mensch, jeder Atherier oder jeder Barakkaraner. Und weil diese Spezies aus Zweigeschlechtlichen nun schon seit mehr als 1000 Jahren die Geschicke des Domenaions mitgestaltet, war es geradezu zwingend, dass sich die Gemeinsprache an diesen Umstand angepasst hat. Und das jeder völlig unbefangen und ohne darüber nachzudenken diese Zweigeschlechtlichkeit im Umgang mit Floryll hinnimmt und formuliert.

Nun kennt das Deutsche allerdings keine Vokabeln für Zweigeschlechtliche. Es heißt „der Mann“ und „die Frau“. Aber wie lautet der Artikel für ein/e Mann-Frau? Für einen Zwitter? Es gibt einige Versuche in der Realität, nichtbinäre Menschen, also Menschen, die sich weder männlich noch weiblich definieren, zu adressieren. Statt „er“ oder „sie“ sagt man z.B. „xier“ oder „ser“ oder „ersie“, im Englischen auch gern „them“. Leider erschöpft sich das Vokabular meist in diesen einzelnen Pronomen und bestimmten Artikeln. Für meine Zwecke war das viel zu wenig, wie ich beim Schreiben bemerkte. Und so begann ich, einen kompletten Satz Vokabeln nur für die zweigeschlechtlichen Floryll zu entwerfen und im Roman zu verwenden.

Meine Prämisse dabei war folgende: Wenn möglich sollten die Vokabeln für die zwei Geschlechter verschmolzen werden und in der Buchstabenmenge des neuen Worts noch enthalten sein. So machte ich aus „er“ und „sie“ „sier“ (gelesen nicht „sihr“, sondern „si-er“). Aus „der“ und „die“ wurde „dier“. „Sein“ und „ihr“ mischte sich zu „seihr“. An diesem letzten Beispiel merkt man schon, dass ich meine eigene Regel gelegentlich gebrochen habe. Wenn ein Wort zu lang wurde oder zu schwer lesbar, habe ich auch mal einzelne Buchstaben wegfallen lassen, bei „seihr“ etwa das „n“. Im Fall von „seinhr“ wäre auch das maskuline Geschlecht zu deutlich herauszuhören gewesen. Aus diesem letzten Grund habe ich auch Buchstaben umsortiert. So wird aus „ein“ und „eine“ nicht etwa „eine“ (obwohl da alle Buchstaben enthalten wären), sondern „enie“.

So schuf ich bestimmte und unbestimmte Artikel, Personalpronomen, Possesivpronomen und -artikel, Relativpronomen, Demonstrativpronomen, die ganze Palette. Eine besondere Herausforderung war dabei der Umstand, dass Possesivpronomen und -artikel für dreierlei Gesprächssituationen entwickelt werden mussten.
  1. Wenn sich ein Zwitter auf ein eingeschlechtliches Wesen bezieht („Die Frau war seihre Leibwächterin.“ bzw. „Der Mann war seihr Leibwächter.“).
  2. Wenn sich ein eingeschlechtliches Wesen auf einen Zwitter bezieht („Dier Floryll war senie [Mann] bzw. ehrie [Frau] Leibwächteris.“).
  3. Wenn sich ein Zwitter auf einen Zwitter bezieht („Dier Floryll war seihre Leibwächteris.“).
Dabei ist sich das „seihre“ im ersten Beispiel eine Mischung aus „seine / ihre“, im dritten Beispiel dagegen aus „sein / ihr / seine / ihre“. Im Nominativ sind die Vokabeln noch identisch; ab dem Genitiv beginnen sie sich zu unterscheiden.

Eine weitere sprachliche Neuentwicklung mag in den Beispielen bereits aufgefallen sein. Ich habe auch eine neue Endung für doppelgeschlechtliche Personen eingeführt: „-is“. Enie Floryll ist eben keine Pilotin und kein Pilot, sondern enie Pilotis. Im Plural sind es natürlich auch wieder Piloten, weil Piloten ein geschlechtsneutrales Wort ist. Die Endung wurde dabei nach längerem Knobeln gewählt, weil sie zum einen kaum ein Geschlecht suggeriert (anders als etwa Pilot-a oder Pilot-on). Zum anderen kann „is“ als Abkürzung für „intersexuell“, was nichts anderes als zweigeschlechtlich meint.

Eine komplette Liste der von mir neu entwickelten Worte findet ihr in diesem PDF.

Ist der Roman denn bei Sätzen wie „Dier Floryll war seihre Leibwächteris.“ überhaupt lesbar oder werde ich alle paar Zeilen über diese Pflanzenabkömmlinge und ihren Spezialwortschatz stolpern? Das mag sich mancher jetzt fragen, und das sicher nicht ganz zu unrecht. Wir leben eben nicht im Domenaion; zweigeschlechtliche Wesen (bei uns: intersexuelle Menschen) gehören nicht zum Alltag und unsere Sprache hat sie entsprechend nicht integriert, auch wenn in der letzten Zeit erste zaghafte Versuche auch außerhalb der Community selbst unternommen werden. Ich weiß nicht, wie sehr meine Entscheidung, die Floryll konsequent pflanzlich (d.h. als Zwitter) zu entwickeln, hier und da das Lesevergnügen stören wird. Ich hoffe, dass sich schnell eine Gewöhnung einstellen wird. Rückmeldungen sind hier gern gesehen.

Morgen geht es weiter mit: Teil 4: Schurkische Helden

Dienstag, 29. Oktober 2019

The Making of „Am Abgrund der Unendlichkeit“ – Teil 2: Eine Galaxis voller Exoten

In zwei Tagen, am 31.10.2019, erscheint mein neustes Romanwerk, der Science-Fiction „Am Abgrund der Unendlichkeit“, und zu diesem Anlass möchte ich ein wenig hinter die Kulissen dieses Projekts blicken. Heute geht es um die Alienvölker, die in dem Roman auftreten.

Vor jedem neuen Roman, der dem Genre der Fantasy oder Science-Fiction zuzuordnen ist, muss man als Autor Entscheidungen fällen. Gibt es nichtmenschliche Spezies in meinem Setting? Wie viele gibt es? Wählt man sich ein oder zwei Spezies – in der Fantasy gern Elfen und/oder Zwerge –, denen man dann entsprechend mehr Aufmerksamkeit widmet? Oder bevölkert man die fremde Welt beziehungsweise das weite All mit unzähligen exotischen Kulturen? (In das World(s)building eines Science-Fiction-Settings kann man praktisch unbegrenzt viel Arbeit stecken, wenn man will.)

Für „Am Abgrund der Unendlichkeit“ bin ich einen Mittelweg gegangen. Ich wollte definitiv mehr Exotik als im Fall meiner „Frontiersmen“-Romane, in denen mit den Peko ja nur eine Alienrasse aufrat, die zudem, grün und menschenähnlich, im Wesentlichen stellvertretend für irdische Indianer stehen sollte. Ich wollte aber auch kein bodenloses Fass aufmachen, wie man es etwa im „Star Trek“-Franchise hat, das hunderte Fremdrassen kennt (und von denen sich viele nur in der Form der Latexhöcker im Gesicht unterscheiden). Ich entschied mich also für eine begrenzte Zahl Völker, die allerdings möglichst unterschiedlich ausfallen sollten.

Natürlich existieren Menschen in diesem Universum. Menschen als Basislinie für den Leser, an der sich alles andere misst, gibt es irgendwie immer. Im vorliegenden Fall sind es allerdings eher „Star Wars“-Menschen als „Star Trek“-Menschen, das heißt, sie sehen zwar menschlich aus und agieren auch so, aber sie stammen nicht explizit von der Erde ab, die auch mit keinem Satz erwähnt wird, nicht mal als mythische Ur-Heimat. Die Menschen gehören zu den Gründungsvölkern des Domenaions, jenes Sternenreichs, das Schauplatz der Handlung ist.


Weitere Gründungsspezies sind die Atherier, die Floryll und die Sleen. Die Atherier übernehmen die Rolle, die sonst gern von Elfen oder Vulkaniern gespielt werden: die der etwas kühl und abgeklärt wirkenden, zugleich aber mit einer tiefen Liebe für Kunst und Kultur gesegneten „Mentoren“ der Menschen. Es handelt sich um feingliedrige, haarlose Humanoide mit großen, dunklen Augen und einer sehr glatten, festen, weißgrauen Haut, die ein wenig an die eines irdischen Delphins erinnert. Sie sind von aquatischer Abstammung und können daher lange Zeit ohne zu atmen unter Wasser existieren.

Die Floryll spiegeln meine Vorliebe für pflanzliche Spezies wider, die ich hege, seit ich vor vielen Jahren in der TV-Serie „Farscape“ erstmals von der Idee eine humanoiden Pflanze (namentlich dem Volk der Delvianer) überrascht wurde. Allerdings treiben es die spindeldürren Wesen mit den astartigen Arm- und Beinfortsätzen und den blütenähnlichen Kopf diesmal auf die Spitze. Nie habe ich mir so viele Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet, eine Pflanze zu sein – darauf komme ich in Teil 3 dieses Making-ofs nochmal zurück.

Die Sleen schließlich sind eine echsenartige Spezies. Ihre Haut ähnelt in Farbe und Struktur der von Krokodilen und in ihrem breiten Mund reihen sich kleine, verflucht spitze Zähne. Ungeachtet ihres durchaus furchteinflößenden Äußeren sind sie allerdings überwiegend sehr friedlich und gastfreundlich, ein Volk, das gern lacht und feiert. Für mich stellten sie das stabile, emotionale Rückgrat des Domenaions dar.

Im Laufe der Jahrhunderte schlossen sich zwei weitere Spezies dem Domenaion an. Zum einen waren das die purpurhäutigen Barakkaraner, eine Spezies, die mit ihrer Begeisterung für Bier und Bergbau ganz eindeutig meine Science-Fiction-Variante von Fantasy-Zwergen darstellt. Zum anderen kamen die N’x hinzu, eine Cyborg-Spezies, die die Verschmelzung von Biologie und Technik derart zum Extrem getrieben hat, dass man nicht mehr sagen kann, wo das natürliche Lebewesen aufhört und das künstliche anfängt. Das war tatsächlich ein Problem, das ich bis zum Ende des Romans nicht so recht aufzulösen vermochte. Waren die N’x nun künstliche Intelligenzen, die sich mit semibiologischen Körpern versahen? Oder eine ehemals menschenähnliche Spezies, die bis auf wenige Organe zu perfekten Kunstkörpern übergegangen war? Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht soll man das auch nicht wissen.

(Die Namen der N’x sollten übrigens eigentlich nur aus Einzelbuchstaben bestehen, die ihren Klang aus dem Lesen in Alphabetweise erhalten sollten. So wird aus dem technisch wirkenden, minimalistischen N’x etwa Enix und aus T’d’o etwa Tedeo. Um den Lesefluss aber nicht übermäßig zu stören, bin ich schließlich dazu übergegangen, die Namen auszuschreiben und nur durch Groß- und Kleinschreibung die ursprünglichen Elemente zu kennzeichnen. Im Buch steht also jetzt eN’iX und Te’De’O.)

Fünf nichtassoziierte Nachbarvölker des Domenaions komplettieren den Völkerreigen: die Rhinoa (kurzzeitig ebenfalls Teil des Domenaions, aber zu individualistisch für den Völkerbund), die Silphi, die Corralier, die Orkanoiden und die Nark. Die Rhinoa sind die „Schwergewichte“ unter den Spezies, zwei bis zweieinhalb Meter messende, kraftstrotzende Kolosse. Sie haben graue Haut wie Elefantenleder, kräftige, dreifingrige Hände und eine Krone aus dicken, kurzen Hörnern auf dem kahlen Schädel. Ich bin im Nachhinein nicht ganz zufrieden mit der Namengebung, denn obwohl die Rhinoa äußerlich an aufrecht gehende Rhinozerosse erinnern sollen, ist der „sprechende Name“ natürlich eigentlich zu irdisch.

Die Silphi sind eine insektoide Schwarmlebensform (was sich unter anderem in der Eigenart niederschlägt, immer im Plural von sich zu sprechen, auch wenn sie allein sind). Sie haben einen drahtigen, entweder braunen oder grünen Chitin-Körper mit zwei Beinen und zwei Armen sowie große Facettenaugen vorn und Schallwellenfühler hinten am schlanken Schädel. Die Silphi verfügen über eine verlangsamte Zeitwahrnehmung, was ihnen den Eindruck übermenschlicher Reflexe verleiht. Das macht sie zu beliebten Raumpiloten.

Orkanoiden und Nark gehören gewissermaßen zusammen, auch wenn es sich um völlig eigenständige Spezies handelt. Die Orkanoiden, riesenhafte, vielfarbig glühende Raumquallen, sind definitiv die fremdartigste unter allen Spezies. Sie leben zurückgezogen in der hohen Atmosphäre zweier Zwillingsgasriesen. Im Kontakt mit den „jüngeren Zivilisationen“ bedienen sie sich gern ihrer „Mündel“, der Nark, einer jungen, wilden Echsenspezies, die auf einem der benachbarten Monde, einer Dschungelwelt, beheimatet ist und ihren Sprung ins Raumfahrtzeitalter allein ihren stillen Mentoren verdankt. Politisch halten sich beide Völker möglichst weit vom Domenaion fern, nicht zuletzt seit es einen unschönen Zwischenfall mit den Barakkaranern gab.

Die Corallier schließlich waren der letzte Neuzugang zum Ensemble, im Grunde nur ein Cameo, nachdem ich bei der Recherche nach fremdartigen Geschöpfen auf die Bilder von humanoiden Wesen mit wunderschön muschelartigen Schädelauswüchsen gestoßen war. Ich stelle sie mir als eine halb-aquatische Lebensform vor, die sich aus den flachen, tropischen Gewässern ihrer Heimatwelt entwickelt hat. Ansonsten kann ich nicht viel über sie sagen, denn kulturell sind sie zweifellos am schlechtesten ausgearbeitet. Vielleicht ergibt sich in Zukunft mal die Gelegenheit, sie näher zu betrachten.

Das war mein kleiner Überblick über die Spezies von „Am Abgrund der Unendlichkeit“. Wer sie gern besser kennenlernen möchte, möge sich den Roman zu Gemüte führen. Nur den Floryll werde ich morgen noch etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Denn …

Morgen geht es weiter mit: Teil 3: Das Pronomen-Problem mit den Floryll

Montag, 28. Oktober 2019

The Making of „Am Abgrund der Unendlichkeit“ – Teil 1: Wie es dazu kam

In drei Tagen, am 31.10.2019, erscheint mein neustes Romanwerk, der Science-Fiction „Am Abgrund der Unendlichkeit“, und zu diesem Anlass möchte ich ein wenig hinter die Kulissen dieses Projekts blicken. Heute geht es um die Entstehung des Projekts.

Viele meiner Bücher hatten eine recht gradlinige Entwicklung. Ich hatte eine Idee, habe ein Exposé geschrieben, es über meine Agentur an Verlage geschickt – und dann wurde ein Buch draus. Im vorliegenden Fall war das alles ein wenig komplizierter.

„Am Abgrund der Unendlichkeit“ ist die Symbiose aus zwei anderen Projekten. Im Vertrag, den ich vor Jahren mit Bastei Lübbe geschlossen habe, hieß es nämlich damals: „Frontiersmen 3 – oder irgendein anderer SF“. Wären die beiden „Frontiersmen“-Romane, mein launiger Ausflug ins Genre der Space-Western à la „Firefly“, erfolgreicher gelaufen, hätte es „Am Abgrund der Unendlichkeit“ vielleicht nie gegeben, denn ich hätte stattdessen einfach das nächste Print-Abenteuer von John Donovan und seiner bunt zusammengewürfelten Truppe Outlaws geschrieben (was ich, ungeachtet von „Frontiersmen – Civil War“, immer noch vorhabe, aber das ist eine andere Geschichte). Doch die Zahl der „Firefly“-Fans – oder zumindest jener, die auch an ähnlichen Werken ihren Spaß haben – war kleiner als gedacht, und so stand ich vor der Aufgabe, mir eine andere Story auszudenken.


Etwa zeitgleich geisterte mir ein Fantasy-Projekt, das den Arbeitstitel „Die Herren der Türme“ trug, im Kopf herum. Es sollte von einer Fantasy-Welt handeln, in der sich mächtige Zauberer ganz unterschiedliche „Domänen“ geschaffen hatten, Reiche, die nach ihren eigenen Regeln funktionierten und so eine staunenswerte Vielfalt an Völkern hervorgebracht hatten. Diese Domänen sollten durch eine unerklärliche und sich beängstigend ausbreitende Finsternis bedroht werden, die in einem verdorbenen Zaubererturm ihren Ursprung gehabt hätte. Herauszufinden, was es mit dieser Finsternis auf sich hat und wie man sie stoppen kann, wäre die Aufgabe der bunt gemischten Heldentruppe des Romans gewesen.

Das Projekt kam allerdings nicht über ein Gedankenspiel hinaus, denn bevor ich mich – über diese Prämisse hinaus – weiter damit beschäftigen konnte, ergab sich die Notwendigkeit, mir einen neuen SF-Roman auszudenken, und ich erkannte, dass sich die Bedrohung doch perfekt auf ein galaktisches Niveau anheben ließe. Die Domänen schrien geradezu danach, schlichtweg unterschiedliche Planeten zu sein. Und die Vorstellung, ganze Sterne vom Himmel verschwinden zu lassen, kam mir noch ungleich bedrohlicher vor als bloß die Verdunkelung von Landstrichen.

Natürlich musste ich die Völker komplett überarbeiten und auch die Bedrohung grundlegend ändern, denn diese musste nun ganz andere Dimensionen annehmen – und Magie als Ursache schied obendrein aus. Aber als ich das Exposé fertig hatte, stellte ich erfreut fest, dass aus zwei unglücklichen Umständen – einem nicht realisierten Roman und einer unvollständigen Romanidee – plötzlich etwas Neues und ausgesprochen Spannendes entstanden war: „Am Abgrund der Unendlichkeit“.

Morgen geht es weiter mit: Teil 2: Eine Galaxis voller Exoten

Dienstag, 15. Oktober 2019

Wir stehen am Rand des Abgrunds

Pünktlich zur Buchmesse sind sie eingetroffen: die Belegexemplare meines neusten Science-Fiction-Romans "Am Abgrund der Unendlichkeit". Und sehen sie gut aus? Oh ja! Arndt Drechsler, der SF-Coverkünstler überhaupt, hat einmal mehr ein wirklich geniales Cover gezaubert, das im Druck noch dreckiger und düsterer wirkt - passend zur apokalyptischen Thematik.

Und darum geht es:

Jenseits des galaktischen Domenaions existiert nichts als die Leere, ein Abgrund zwischen den Sternen, den die Völker des Weltenbunds seit jeher fürchten - zu recht, wie sich zeigt, als der Kontakt zu mehreren Randkolonien abbricht und ganze Sternsysteme von unheimlicher Schwärze verschlungen werden. Der Rat der Domänen entsendet sein bestes Schiff, die Lichtbringer, um sich dem Schrecken zu stellen. Doch das Schicksal der Galaxis soll in den Händen anderer ruhen: denen von Bendis Kahain und seiner fragwürdigen Truppe Raumretter.

Ab 31.10. ist das Abenteuer von Bendis Kahain und seinen Leuten überall im Handel erhältlich. Wer schon vorher einen Blick auf das Buch werfen mag, möge meine Signierstunde auf der Frankfurter Buchmesse am DO besuchen (17.10. / 13-14 Uhr / Halle 3.0/J24) oder auf meiner Premierenlesung auf dem BuCon in Dreieich am SA vorbeischauen (19.10.2019 / 13-14 Uhr / Raum DS5). Digital findet ihr mehr Infos und eine Leseprobe hier.