Donnerstag, 22. September 2016
10 Jahre Autor
Wo fängt man an? Wenn mir in Interviews die Frage gestellt wird, wie ich Autor wurde, antworte ich stets: Ich habe schon immer gerne geschrieben. Erste Kurzgeschichten datieren bis in die Grundschulzeit zurück. Und bereits davor habe ich gemeinsam mit meinen Eltern phantastische Abenteuer erzählt. Im Grunde könnte ich also auch gute 35 Jahre schöpferisches Erzählen feiern, aber der wirkliche Einschnitt in meinem Leben, der Punkt, der für mich der Beginn meiner Autorenlaufbahn sein sollte, kam im Herbst 2006.
Damals befand ich mich gerade in einer Art First-Third-Life-Crisis. Wobei das vielleicht zu drastisch ausgedrückt ist. Eigentlich hatte ich einen interessanten Job im Deutschen Filminstitut in Frankfurt, ich bewohnte eine schöne Bleibe in Mainz, war von guten Freunden umgeben und gesund. Unter solchen Umständen muss man sich nicht beschweren. Doch während der öden Bahnfahrten von Mainz nach Frankfurt und zurück träumten ein Studienfreund, der durch Zufall zum Arbeitskollegen geworden war, und ich von mehr. Wir waren beide im Herzen Kreative, denen die reine Archivierung und Präsentation der Kreativität anderer – denn nichts anderes war unsere Aufgabe im Filminstitut – nicht genügte. Wir träumten vom eigenen Film, vom eigenen Buch, von der eigenen Hörspielreihe. An Ideen mangelte es uns nicht. Bloß an etwas Anstoß.
In besagtem Herbst nun kamen zwei Dinge günstig zusammen. Zum einen nahte mein dreißigster Geburtstag und ich begann mich ernsthaft zu fragen, wie sich mein Leben eigentlich entwickeln sollte. Wenn ich meine Träume verfolgen wollte, war jetzt der richtige Moment dazu. Ich hatte all die Jahre der Lernbelastungen hinter mir und das Filminstitut bot mir ein sicheres Grundeinkommen. Zum anderen flatterte mir just in diesen Wochen die Einladung zu einem Schreibwettbewerb ins Haus. Es handelte sich – ich will es endlich mal verraten – um den Wolfgang-Hohlbein-Preis von Ueberreuter, ein damals etwa alle drei Jahre ausgeschriebener Wettbewerb. Hohlbeins phantastische Jugendbücher bei Uberreuter hatten mich zwischen 10 und 14 enorm begeistert, und die Erinnerung daran mochte der Auslöser gewesen sein, in seine Fußstapfen treten zu wollen. (Denn hatte Hohlbein Anfang der 1980er nicht selbst seine Karriere mit einem Wettbewerbsgewinn bei Ueberreuter begonnen?)
Rückblickend muss man sagen, dass ich riesiges Glück hatte, so zu denken. Der Wolfgang-Hohlbein-Preis wurde 2006 das letzte Mal initiiert, ich hätte also keine zweite derartige Einladung bekommen, Fantasy-Autor zu werden. So aber war der Anreiz da und mein Kollege und ich setzten uns hin, um je einen Roman zu verfassen. Unter zuletzt völligem Freizeitverzicht und mit einigen Nachtschichten wurde ich gerade noch rechtzeitig fertig, und obwohl ich in der Vorrunde aus dem Wettbewerb flog (ich schätze, den Juroren hatte mein eigenwilliger Anfang von „Tarean“, der praktisch mit einer Endschlacht beginnt, nicht zugesagt), war mein Debütroman kurioserweise am Ende schneller auf dem Markt, als der des eigentlichen Gewinners.
Mein Mitstreiter schaffte es übrigens damals nicht. Am Ende fehlten vier oder fünf Kapitel. Die fehlen noch heute. Er hat mittlerweile einen guten Job bei ARTE, aber Autor ist er nie geworden, nicht einmal nebenberuflich. Eine Erinnerung daran, wie mein Leben auch hätte weitergehen können ...
Zehn Jahre sind seit diesem Herbst nun vergangen, und wenn ich auf das zurückblicke, was ich seitdem erreicht habe, bin ich wirklich nicht unzufrieden. Natürlich wurden mir im Laufe der Zeit einige Illusionen genommen. Etwa, dass sich ein Buch gut verkauft, bloß weil es gut unterhält. Oder dass man als Autor seinen Ruhm durch beharrliche Arbeit und kontinuierlichen Output zwangsläufig immer weiter mehrt. Der Buchmarkt ist viel komplizierter und von Faktoren beherrscht, auf die man als Autor entweder gar keinen Einfluss hat oder die einem anfangs gar nicht in den Sinn gekommen wären - im Guten wie im Schlechten.
Doch unterm Strich hatte ich Glück, immer wieder. Ich fand schnell eine tolle Agentur, die Phantastik genauso liebte wie ich. Ich fand schnell einen ersten Verlag, mit dem ich sehr partnerschaftlich zahlreiche Werke entwickeln konnte. Ich habe mittlerweile zwei Dutzend Bücher geschrieben, Kurzgeschichten und Heftromane nicht eingerechnet. Mir wurde erlaubt, in einigen meiner Lieblings-SF-Universen („Perry Rhodan“, „BattleTech“, „Star Trek“) zu spielen, etwas, das ich vor zehn Jahren noch für unmöglich gehalten hätte. Hörbuchausgaben, Auslandslizenzen, der „Deutsche Phantastik Preis“ für den „Besten deutschsprachigen Roman“ und der Kontakt zu unfassbar vielen netten Menschen aus der Branche und dem Genre-Fandom haben immer wieder kleinere und größere Highlights in meiner Laufbahn als Autor gesetzt. Nichts davon möchte ich missen und unverändert möchte ich keinen anderen Job der Welt haben. Wie viele Berufstätige können das schon von sich sagen?
Einige Ziele und Träume bleiben natürlich für die nächsten zehn Jahre. Etwa der erste deutsche „Star Wars“-Roman (vielleicht zum 50. Geburtstag von „Star Wars“?). Oder die Verfilmung eines meiner Bücher, auch wenn die deutsche Filmlandschaft leider alles andere als phantastikfreundlich ist. Ganz abgesehen davon schwirren mir noch ein paar große Geschichten im Kopf herum. Denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass mein persönliches „Rad der Zeit“, mein „Otherland“, meine „Scheibenwelt“ nach wie vor aussteht. Es bleibt also spannend, nicht nur für euch, sondern auch für mich.
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